Kunst und Öffentlichkeit

Kunst im öffent­lichen Raum: Hoffnungs­träger künst­le­ri­scher Innovation

Sie galt als eine der vielver­spre­chendsten Hoffnungs­träger künst­le­ri­scher Innovation: Kunst im öffent­lichen Raum, Kontex­tua­li­sierung als künst­le­ri­sches Thema. Der Ruf nach der Kunst im öffent­lichen Raum hing eng mit der Infra­ge­stellung der tradi­tio­nellen Insti­tution des Kunst­mu­seums zusammen. Kunst im öffent­lichen Raum war Bestandteil kultur­po­li­ti­scher Konzepte der 1970er Jahre, deren schlag­wort­artige Appelle an der Fassade der ‚Musen­tempel‘ rüttelten. Aus dem Anspruch nach Überwindung alltags­ab­ge­wandter Ausdrucks­formen, nach wechsel­sei­tiger Integration von Kunst und Alltag, erwuchs die Hinwendung zu Öffentlichkeit und gesell­schaft­licher Einfluss­nahme. Museums­mauern wurden symbo­lisch nieder­ge­rissen, die Kunst ging auf die Straße.

Freiheits-verbür­gendes Korrektiv

Begrifflich wurzelt ‚Öffentlichkeit‘ im 18. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Entstehung der bürger­lichen Gesell­schaft. Nach Jürgen Habermas ist damit das Aufkeimen jenes kritisch räsonie­renden, also auf Vernunft beruhenden, Bürgertums gemeint, das sich Grund­lagen für eine in der Privat­sphäre angelegte Gegen­öf­fent­lichkeit schuf: kritisch und in ständiger Ausein­an­der­setzung mit der autori­tären Obrigkeit. Öffentlichkeit in diesem Sinn ist zu verstehen als ein auf der Sicherung des Privaten beruhendes freiheits-verbür­gendes Korrektiv im Prozess gesell­schaft­licher Meinungs- und Willens­bildung. Der solcher­maßen bestimmte – klassische – öffent­liche Raum, die Keimzelle bürger­licher Selbst­be­stimmung, als deren Ursprünge beispiels­weise die Piazza oder der zentrale Markt­platz gesehen werden können, ist ein Raum der Verdichtung, der Verschränkung unter­schied­lichster Einflüsse aus Alltag, Kultur, Markt, Wissen­schaft, Politik usw.; ein gemein­schaftlich genutzter Raum multi­funk­tio­naler und diver­gie­render Interessen.

Wo findet Öffentlichkeit heute statt?

Doch dieser Raum unter­liegt ständigen Verän­de­rungen. Gerade die letzten Jahrzehnte haben mit den neuen Techno­logien der Medien unser Verständnis von Öffentlichkeit grund­legend neu geprägt. Wo findet Öffentlichkeit heute statt? Nach wie vor auf der „Straße“,  in den Parteien und Bürger­initia­tiven oder viel mehr in Inter­net­blogs, bei Youtube, in Inter­net­kam­pagnen und „sozialen Netzwerken“? Wird die nachwach­sende Generation, die ins Zeitalter der Digita­li­sierung hinein­ge­boren ist, das sensible Zusam­men­spiel von Privatheit und Öffentlichkeit noch für sich einfordern? Und wie steht es dann mit der sich auf diesen Raum bezie­henden Kunst, der  Kunst im öffent­lichen Raum? Braucht Öffentlichkeit überhaupt noch einen spezi­fi­schen Ort, der sie konsti­tuiert und auf den die Kunst entspre­chend spezi­fisch reagieren kann?

Der Ort – neu gedacht

Kultu­relle Identität ist nach Homi K. Bhaba nicht mehr an einen Ort gebunden, der als geschlossen, einheitlich und homogen verstanden werden, der also einen klaren Rahmen für künst­le­rische Objekte bieten kann. Der Ort, an dem etwas sein Wesen beginnt ist eher zu definieren als der Ort der Überschreitung, des Dazwi­schen-Seins. Es ist ein hybrider imagi­närer Raum auf der Grenz­linie zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, Kunst und Politik, Vergan­genheit und Gegenwart, ein Raum ständiger Neuar­ti­ku­lierung, ein Zwischenraum. Öffentlichkeit wäre somit auf einen Raum bezogen, der sich beständig öffnet, welcher Grenzen permanent neu zieht und der sich jeglicher Forderung nach Singu­la­rität, organi­schen Vorstel­lungen kultu­reller Werte oder autonomen Zeichen entzieht.

In Frage gestellt: Ortspe­zi­fität als künst­le­rische Kategorie

Galt über Jahrzehnte Ortspe­zi­fität als wesent­liches Kriterium für die Kunst im öffent­lichen Raum, so muss diese Kategorie unter den Bedin­gungen eines verän­derten Veständ­nisses von Öffentlichkeit nun neu gedacht werden. Sie könnte stärker durch  „Nicht-Orte“ (Marc Augé) geprägt sein, also durch medial vermit­telte Vorstel­lungen als durch eigene Identi­täten. Sie könnte weniger durch  abgeschlossene Identi­täten als mittels offener und immer wieder neu zu füllende Projek­ti­ons­fläche bestimmt sein. Dies gilt gleicher­maßen für Orte des gesell­schaft­lichen städti­schen oder gewerblich-indus­tri­ellen Raums wie des als Natur bezeich­neten ‚grünen‘ Lebensraums.

Das Büro Kunst & Öffentlichkeit erklärt es sich zur Aufgabe, dem Wandel von Öffentlichkeit nachzu­gehen: in künst­le­ri­schen Projekten im oder für den öffent­lichen Raum, in Ausstel­lungen sowie theore­ti­schen Diskursen, aber auch in Unternehmenskulturen.