Gerhard Richter: 18. Oktober 1977.
Das verwischte Bild der Geschichte
Von Martin Henatsch
Fischer Taschenbuch Verlag, Fischer kunststück, Frankfurt a. M.
Hrsg. Michael Diers
Am 18. Oktober 1977 wurden sie in ihren Zellen des Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim gefunden: Andreas Baader und Jan-Carl Raspe hatten sich durch Kopfschuß umgebracht, Gudrun Ensslin hing, ein Laut- sprecherkabel um den Hals, an ihrem Zellenfenster. Elf Jahre danach beginnt der Maler Gerhard Richter einen 15teiligen Zyklus von Bildern. Sie sind in Grau gehalten und erinnern an verwischte Fotografien, wirken unverfügbar und entrückt, ohne mythisch überhöht zu werden. In seiner Monographie analysiert Martin Henatsch die Bilder, die Richter hinter den traumatischen Dokumenten entdeckt. Richters Zyklus knüpft an eine Tradition der Historienmalerei an, die am Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen ist. Schon Manets Gemälde Die Erschießung Kaiser Maximilians musste sich gegenüber den modernen Techniken der Informations-vermittlung behaupten und reflektierte diese Konkurrenz bildnerisch. Gerhard Richter knüpft an diese Problemstellung an: Welchen Bedingungen unterliegt das Geschichtsbild in einem von der Informations- und Bilderflut der Massemedien geprägten Zeitalter? In der abstrahierenden Sprache seines Zyklus ist dies zugleich die Frage nach den grundsätzlichen Möglichkeiten von Malerei am Ende des 20. Jahrhunderts. (103 S.)