Von David zu Bliss
Ringen um Öffentlichkeit
Hrsg. Sammlung Haus N, Kiel
Martin Henatsch
David und Bliss: Es ist eine außergewöhnliche Gegenüberstellung zweier auf den ersten Blick so unterschiedlicher Kunstfiguren; einerseits vom Großmeister der italienischen Renaissance Michelangelo, andererseits von einer jungen amerikanischen Künstlerin Wu Tsang. Zwar entstammen sie sowohl historisch wie auch stilistisch, technisch und ikonografisch ganz unterschiedlichen Welten, aber gerade dieser fünf Jahrhunderte umfassende Brückenschlag lässt künstlerisch inhaltliche Strukturen sichtbar werden, die einen spezifischen Blick auf die jeweilige Epoche ihrer Entstehung ermöglichen; Beide Figuren suchen in jeweils höchst charakteristischer und für ihre Zeit repräsentativer Weise den Kontakt zur Öffentlichkeit; Beide Werke wenden sich – jenseits aller grundsätzlichen Andersartigkeit – mit vergleichbar empörter Haltung an ihre Betrachter. Der Ort ‚ihrer‘ Öffentlichkeit aber hat sich gewandelt. Er ist heute nicht mehr in gleicher Weise auf der von Michelangelos David und dem Rathaus geprägten Piazza della Signoria zu finden; Er muss neu definiert werden: als permanente Projektion, in ständiger Bewegung, eben ortlos, unwirklich und immer schon virtuell überformt. Dies zu untersuchen, ist eine der herausragenden Aufgaben von Künstlern wie Wu Tsang sowie der ihr nachfolgenden Generation: Auf der Suche nach der Piazza des 21. Jahrhunderts, mit dem Ziel der Errichtung einer Signoria 2.0. (32 S., dt.)