Thorsten Goldberg

bildschirmfoto-2016-11-16-um-16-03-2054° 4 min. Thorsten Goldberg
Gerisch-Stiftung, Neumünster
Kurator: Dr. Martin Henatsch

Wo kämen wir hin, wenn wir schnur­gerade in eine Richtung gingen, nicht anhalten und niemals abbiegen würden? Wo und wann sollten wir diese fiktive Reise beenden? Wer hätte sich nicht schon einmal in Gedanken auf große Fahrt begeben, einen Globus in Drehung versetzt und den Finger voller Erwartung erst wieder gesenkt, wenn die Welt darunter zum Stehen kommt. Wir stellen uns vor, wie es dort aussähe, wie es wäre, da zu sein … Wo liegen die Wurzeln für unsere Bilder von Arkadien, Schla­raf­fenland und Paradies, welche künst­le­ri­schen Wege führen dorthin?Mit der Ausstellung 54° 4 min. des Berliner Künstlers Thorsten Goldberg (geb. 1960), der vor allem durch sein Werke im öffent­lichen Raum inter­na­tional bekannt ist, erhält diese Frage­stellung eine neue Dimension. 54° 4 min., der Breitengrad, auf dem die Gerisch-Stiftung in Neumünster liegt, erzählt von einer Reise zu solch sehnsuchts­be­setzten Orten, vergleichbar mit jenen, die schon die seefah­renden Entdecker der frühen Neuzeit auf der Suche nach dem Paradies westwärts lockten.

Seine Wolken­skulp­turen „Cumulus“ stehen für diese gedank­lichen Reisen in die Ferne – die Gedanken ziehen mit den Wolken. Doch Goldbergs Wolken verbleiben am Ort, sie werden von drehbaren,  aufra­genden und weit auskra­genden Metall­winkeln aus poliertem Edelstahl in den Himmel gehoben, ohne jemals davon ziehen zu können. Ausge­rechnet eine Wolke – Inbegriff für Immate­ria­lität, Flüch­tigkeit und ständige Verän­derung – hat der Künstler mit comic­hafter Schema­ti­sierung in glänzendem Kunst­stoff materia­li­siert und an den Ort gebunden. Oder  lädt er uns ein, dem Zug der Wolke, dieser roman­ti­schen Projek­ti­ons­fläche mensch­licher Sehnsüchte, in die Ferne zu folgen?

Die Anleitung zu fernen sehnsuchts­be­setzten Orten hat Goldberg  zum Titel jener Ausstel­lungs­reihe erhoben, mit der er sein Werk in Neumünster, im Zentrum für Gegen­warts­kunst „Łaźnia“ in Danzig sowie in der Städti­schen Galerie im Park Viersen präsen­tierte: 54°4 min. ist deren rätsel­hafte Betitelung, mit der er auch eine weitere für sein Werk zentrale Arbeit überschreibt. Es ist eine Wegbe­schreibung entlang des Breiten­grades des Ausstel­lungs­ortes in Richtung Westen. Goldberg spannt mit der Nennung der geogra­fi­schen Breite eine fiktive Verbin­dungs­linie zu fernen, verhei­ßungsvoll erschei­nenden und zugleich weitgehend unbekannten Orten. Schickt uns der Künstler also mit seiner Reise­an­leitung 54°4 min. nicht nur zu einer belie­bigen Insel­gruppe in British Columbia, die auf diesem Breitengrad liegt, als vor allem auf die Suche nach unserem Paradies – jenen innernen Leerstellen, die wir mit unseren  Projek­tionen und Sehnsüchten füllen?

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