Yinka Shonibare. Cannonball Paradise
Gerisch-Stiftung, Neumünster
Kurator: Dr. Martin Henatsch
Ein leuchtendfarbiges Stofftuch weht einen Sommer lang durch den Gerisch-Skulpturenpark, sechs Meter hoch und vier Meter breit: Den farbkräftigen Akzent hat der in London lebende Yinka Shonibare MBE – 1962 in London geboren, in Lagos/Nigeria aufgewachsen – mit seiner speziell für diesen Ort geschaffenen Windsculpture vor die altehrwürdige Villa Wachholtz gesetzt.Kenner können die Stoffvorlage als afrikanisches Waxprint-Tuch identifizieren; bekannt vor allem von jenen westafrikanischen Umhängen und Kleidern, die mit ihren bunten, ornamentalen Mustern so sehnsuchts-beladene Vorstellungen von afrikanischer Exotik hervorrufen. Sie sind Grundbestandteil zahlreicher Arbeiten von Shonibare.
Charakteristisch für sein Werk sind Figuren, die in viktorianischen Kostümen aus diesen Stoffen gekleidet sind. Provokant positioniert ergeben sie ein bizarres Bild, aus dem ein subtiles Spiel mit stereotypen Vorstellungen von Rasse, Klasse und Kultur spricht. Denn, obwohl die verwendeten Stoffe bis heute als ‚original afrikanisch’ gelten, hat das hierfür notwendige Wachsdruck-verfahren seinen historischen Ursprung nicht in Afrika, sondern im indonesischen Java. Großenteils in den Niederlanden oder England produziert ist es ein Exportprodukt europäischen Kolonialismus. Die mit ihnen in Verbindung gebrachte vermeintliche Authentizität erweist sich als Konstrukt; scheinbar politisch-kulturelle Wahrheiten über Afrika entpuppen sich als vielschichtige Brechungen vor dem Hintergrund europäisch geprägter Traumbilder. Die kritische Auseinandersetzung mit der beide Kontinente verbindenden Kolonial-Geschichte verleiht Shonibares Werk seine besondere Attraktivität, dies umso mehr als er sie in eine farbenfroh lebenslustige Erzählfreude kleidet.