Permanente Skulpturen für den Stadtraum Bergkamen
Kurator: Dr. Martin Henatsch
In vielen Ländern gehört er längst zum verkehrstechnischen Alltag: der Kreisverkehr. Im Ampelhörigen Deutschland hatte sich diese selbstregulierende Art des Straßenverkehrs erst in den letzten Jahren um 2000 durchgesetzt. Die sogenannten Verkehrskreisel sind nahezu wartungsfrei und weniger unfallträchtig, jedoch mit einem Manko versehen: das Brachland im Innern des Kreisels, das für nichts genutzt werden kann, sich aus Sicherheitsgründen vom Straßenbelag deutlich abheben muß und dennoch im täglichen Blickpunkt einer Stadt steht; in der Regel ein klassischer Fall für kuriose, oftmals mit Pflastersteinen umkränzte Erdhügel, Straßenbegleitgrünpflanzungen oder gar kleingärtnerische Rabatten.
Architekturhistorisch aus dem Wehrtor und seinen funktionalen Anforderungen hervorgegangen, kam Stadttoren immer auch eine über ihre Funktionalität hinausweisende Bedeutung zu. Als Auftakt großer Straßenzügen oder Plätze sind Tore identitäts-stiftende Aushängeschilder ihrer Stadt, wichtig in ästhetischer, urbanistischer wie bedeutungsstiftender Hinsicht. Vom Löwentor in Mykene oder den antiken Triumphbögen Roms bis zum Pariser Arc de Triomphe und dessen modernem städte-baulichen Pendant, der Grande Arche, immer bot die Gestaltung der Tore eine Herausforderung, an dieser besonderen, auf die Wahrnehmung aus der Bewegung angelegten Stelle auch einen künstlerischen Akzent zu setzen: den Ort zu thematisieren und den Passanten auf dessen Bedeutung einzustimmen.
An diesen Überlegungen anknüpfend erklärte man in Bergkamen die Verkehrskreisel, die das neue Stadtzentrum nach allen Seiten flankieren, zu Stadttoren. Die skulpturale Thematisierung solcher, dem öffentlichen Raum zuzurechnender Orte ist eine künstlerische Aufgabe. So galt es, Künstlerinnen und Künstler zu einem Wettbewerb einzuladen, die Spezialisten für den öffentlichen Raum sind und zugleich in der Lage wären, ohne wörtliche Übernahme des Bautypus „Stadttor“, dieses gleichwohl zu thematisieren. Schließlich wurden sieben skulpturale Vorschläge eingereicht, die bedeutende Statements zu Bergkamen abgeben und einmal mehr das Potenzial von Kunst für das unter Beweis stellen, was unserer Gesellschaft zur Zeit vielleicht am dringlichsten fehlt: identitätsstiftende Kommunikation. Es entstanden Standortbestimmungen zur Kunst im öffentlichen Raum, die sich um den Kreisel drehen, aber nicht im Kreise.
Zwei der sieben vorgeschlagenen Projekte konnten realisiert werden: Gewinner des Wettbewerbs waren Andreas Kaufmann sowie das Künstlerduo Maik und Dirk Löbbert. Andreas Kaufmann griff mit seinem Konzept die urbanistische Situation eines der meist frequentierten und zugleich uneinheitlichsten Plätze Bergkamens auf: No agreement today – no agreement tomorrow. Selbstbewußt ragt sein Rundpavillon aus dem Platz vor dem Rathaus hervor. Der Künstler nahm die Form des Kreisels für sein Bauwerk auf und setzte der Unruhe dieses Ortes die Geschlossenheit eines runden Pavillons. Der Verkehrssituation entsprechebnd huschen in ständigem Wechsel Lichtbilder über sein Glasrund: Personen, die aus dem Dschungel der öffentlichen Medien herausgehoben und der Öffentlichkeit durch den Künstler in ähnlich schnellem und rasanten Rhythmus am „Stadttor Rathaus“ wieder zugeführt werden.
Als zweiter Vorschlag konnten die Lichtinstallationen von Maik und Dirk Löbbert realisiert werden. Schon im Titel ihres Projektes blitzt die subtile Ironie ihrer immer auch erzählerischen und nur auf den ersten Blick minimalistisch angelegten Arbeiten auf: Bergkamen setzt Maßstäbe. Ihren Titel wörtlich nehmend, errichteten die Künstler im Zentrum von vier Kreisverkehren je eine grell leuchtende Stele errichten, die – wie ein Maßstab einer Landkarte – in helle und dunkle Meter-Segmente untergliedert ist. In ihrer leichten Neigung erinnern die Stelen aber auch an Schlagbäume. Sie sind nicht zuletzt ein Verweis auf die historische Funktion von Stadttoren, ein Fingerzeig auf die an den Kreisverkehren beginnende Stadtmitte. Pulsierenden Laserwaffen aus futuristischen Phantasy-Welten gleich, sind ihre Lichtstäbe so geneigt, dass sie sich in ihrer fiktiven Verlängerung genau über der neuen Mitte Bergkamens treffen: ein Dach für Bergkamen.
Teilnehmende Künstler
Susan Chorpenning (USA) · Gina Lee Felber · Felix-S. Huber und Florian Wüst · Andreas M. Kaufmann · Tilman Küntzel · Maik und Dirk Löbbert · Joëlle Tuerlinckx (B)