Kunst­wett­bewerb Verkehrs­kreisel Bergkamen

bildschirmfoto-2016-11-16-um-16-05-11Perma­nente Skulp­turen für den Stadtraum Bergkamen
Kurator: Dr. Martin Henatsch

In vielen Ländern gehört er längst zum verkehrs­tech­ni­schen Alltag: der Kreis­verkehr. Im Ampel­hö­rigen Deutschland hatte sich diese selbst­re­gu­lie­rende Art des Straßenverkehrs­ erst in den letzten Jahren um 2000 durch­ge­setzt. Die sogenannten Verkehrs­kreisel sind nahezu wartungsfrei und weniger unfall­trächtig, jedoch mit einem Manko versehen: das Brachland im Innern des Kreisels, das für nichts genutzt werden kann, sich aus Sicher­heits­gründen vom Straßen­belag deutlich abheben muß und dennoch im täglichen Blick­punkt einer Stadt steht; in der Regel ein klassi­scher Fall für kuriose, oftmals mit Pflas­ter­steinen umkränzte Erdhügel, Straßenbegleitgrün­pflan­zun­gen oder gar klein­gärt­ne­rische Rabatten.

Archi­tek­tur­his­to­risch aus dem Wehrtor und seinen funktio­nalen Anfor­de­rungen hervor­ge­gangen, kam Stadt­toren immer auch eine über ihre Funktio­na­lität hinaus­wei­sende Bedeutung zu. Als Auftakt großer Straßen­zügen oder Plätze sind Tore identitäts-stiftende Aushän­ge­schilder ihrer Stadt, wichtig in ästhe­ti­scher, urbanis­ti­scher wie bedeu­tungs­stif­tender Hinsicht. Vom Löwentor in Mykene oder den antiken Triumph­bögen Roms bis zum Pariser Arc de Triomphe und dessen modernem städte-baulichen Pendant, der Grande Arche, immer bot die Gestaltung der Tore eine Heraus­for­derung, an dieser beson­deren, auf die Wahrnehmung aus der Bewegung angelegten Stelle auch einen künst­le­ri­schen Akzent zu setzen: den Ort zu thema­ti­sieren und den Passanten auf dessen Bedeutung einzustimmen.

An diesen Überle­gungen anknüpfend erklärte man in Bergkamen die Verkehrs­kreisel, die das neue Stadt­zentrum nach allen Seiten flankieren, zu Stadt­toren. Die skulp­turale Thema­ti­sierung solcher, dem öffent­lichen Raum zuzurech­nender Orte ist eine künst­le­rische Aufgabe. So galt es, Künst­le­rinnen und Künstler zu einem Wettbewerb einzu­laden, die Spezia­listen für den öffent­lichen Raum sind und zugleich in der Lage wären, ohne wörtliche Übernahme des Bautypus „Stadttor“,  dieses gleichwohl zu thema­ti­sieren. Schließlich wurden sieben skulp­turale Vorschläge einge­reicht, die bedeu­tende State­ments zu Bergkamen abgeben und einmal mehr das Potenzial von Kunst  für das unter Beweis stellen, was unserer Gesell­schaft zur Zeit vielleicht am dring­lichsten fehlt: identi­täts­stif­tende Kommu­ni­kation. Es entstanden Stand­ort­be­stim­mungen zur Kunst im öffent­lichen Raum, die sich um den Kreisel drehen, aber nicht im Kreise.

Zwei der sieben vorge­schla­genen Projekte konnten reali­siert werden: Gewinner des Wettbe­werbs waren Andreas Kaufmann sowie das Künst­lerduo Maik und Dirk Löbbert. Andreas Kaufmann griff mit seinem Konzept die urbanis­tische Situation eines der meist frequen­tierten und zugleich unein­heit­lichsten Plätze Bergkamens auf: No agreement today – no agreement tomorrow. Selbst­bewußt ragt sein Rundpa­villon aus dem Platz vor dem Rathaus hervor. Der Künstler nahm die Form des Kreisels für sein Bauwerk auf und setzte der Unruhe dieses Ortes die Geschlos­senheit eines runden Pavillons. Der Verkehrs­si­tuation entspre­chebnd huschen in ständigem Wechsel  Licht­bilder über sein Glasrund: Personen, die aus dem Dschungel der öffent­lichen Medien heraus­ge­hoben und der Öffentlichkeit durch den Künstler in ähnlich schnellem und rasanten Rhythmus am „Stadttor Rathaus“ wieder zugeführt werden.

Als zweiter Vorschlag konnten die Licht­in­stal­la­tionen von Maik und Dirk Löbbert reali­siert werden. Schon im Titel ihres Projektes blitzt die subtile Ironie ihrer immer auch erzäh­le­ri­schen und nur auf den ersten Blick minima­lis­tisch angelegten Arbeiten auf: Bergkamen setzt Maßstäbe. Ihren Titel wörtlich nehmend, errich­teten die Künstler im Zentrum von vier Kreis­ver­kehren je eine grell leuch­tende Stele errichten, die – wie ein Maßstab einer Landkarte – in helle und dunkle Meter-Segmente unter­gliedert ist. In ihrer leichten Neigung erinnern die Stelen aber auch an Schlag­bäume. Sie sind nicht zuletzt ein Verweis auf die histo­rische Funktion von Stadt­toren, ein Fingerzeig auf die an den Kreis­ver­kehren begin­nende Stadt­mitte. Pulsie­renden Laser­waffen aus futuris­ti­schen Phantasy-Welten gleich, sind ihre Licht­stäbe so geneigt, dass sie sich in ihrer fiktiven Verlän­gerung genau über der neuen Mitte Bergkamens treffen: ein Dach für Bergkamen.

Teilneh­mende Künstler

Susan Chorpenning (USA) · Gina Lee Felber · Felix-S. Huber und Florian Wüst · Andreas M. Kaufmann · Tilman Küntzel · Maik und Dirk Löbbert · Joëlle Tuerlinckx (B)

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